Alex und Tim haben es satt, ihr Geld mit dem Aufbrechen von Autos zu verdienen. Sie nehmen deshalb ein ganzes Fahrzeug als Beute ins Visier – einen Transporter, für den sich leider auch andere interessieren. Die sind eine Nummer größer und ziehen das junge Duo in ein Verbrechen, dessen Ausgang allen Beteiligten zu entgleiten droht.

Thriller-Erzählung, 40 Seiten, erschienen im Februar 2014 als E-Book und gedruckt. Sie ist mittlerweile nicht mehr im Handel erhältlich. Das E-Book gibt es gratis zum Download (EPUB-Format) und zum Online-Lesen bei Wattpad.

Cover-Schlechter-Zeitpunkt_300 Hier schon mal eine Leseprobe:

TIM

Wir sind schon zwei Stunden unterwegs, und ich bin froh, weil sich Alex jetzt endlich entscheidet.

»Ich glaube, da drüben steht der Richtige«, sagt er. Er deutet mit einem Nicken über die Straße.

Nicht etwa, dass ich ungeduldig wäre. Alex soll alle Zeit haben, die er zum Suchen braucht. Aber wir sind jetzt schon so ziemlich durchs ganze Viertel getigert. Die eine Straße hoch, die nächste wieder runter. Und immer schön unauffällig die Gegend im Blick behalten. Dass wir nur keinem auffallen.

Echt feines Viertel hier, schöne Häuser und schöne Gärten und so. Es ist ein Vormittag mitten in der Woche, und es ist kaum jemand auf der Straße. Ich denke mir, die sind bestimmt arbeiten. Die hier wohnen, haben bestimmt alle richtig gute Arbeit. Sonst könnten sie sich dieses Viertel ja auch gar nicht leisten.

Ein bisschen nervös bin ich schon. Nachts Autoradios und Navis auszubauen ist eine Sache. Am helllichten Tag einen ganzen Transporter zu klauen eine andere.

»Die Radios bringen nichts mehr«, hatte Alex gesagt, »und vormittags rechnet niemand damit, dass du den Wagen von seinem Nachbarn klaust. Das ist viel unauffälliger, als es nachts zu probieren.« Wenn Alex das sagt, dann stimmt es.

Er geht ziemlich lässig über die Straße, und ich hinterher. Wir sind hier unterwegs wie zwei Brüder. Man könnte meinen, wir wären auf dem Heimweg oder sowas. Alex ist so alt, der könnte schon auf die Uni gehen. Und ich, ich wäre vielleicht so ein oder zwei Jahre vor dem Abitur. Ja klar, warum nicht. Ich war ziemlich gut, das Abi würde ich immer noch locker schaffen.

Wir schlendern also so rüber, wie zwei richtig coole junge Männer. So ganz normal in Jeans und T-Shirts, es ist ja ein schöner warmer Sommervormittag. Nichts ist unauffälliger als wir beide.

ALEX

Noch nicht Mittag, und die Sonne brennt, dass mir der Schweiß den Rücken runterläuft. Zugegeben, es war meine blöde Idee, in einem Wohnviertel nach einem Transporter zu suchen. Aber wir hätten ja kaum in ein Gewerbegebiet fahren können. Da wäre vielleicht die Auswahl groß gewesen, nur fällt man da auf, wenn man so herumschlendert wie wir.

Und wie ich schon zu Tim sagen will »Lass uns hier Schluss machen und was essen gehen«, da sehe ich ihn plötzlich in der Einfahrt auf der anderen Straßenseite, einen weißen Transporter wie aus dem Katalog. Steht neben einem Einfamilienhaus rückwärts eingeparkt vor der Garage. Kann man einfach nach vorn rausfahren und weg ist man.

Wir spazieren also mal ganz locker über die Straße. Ich gehe voran die Einfahrt hoch und zum Glück ist niemand im Vorgarten. Die Büsche zur Straße hin stehen hoch, das kommt uns gelegen. Je höher die Hecke, umso weniger sieht man, wie wir in den Wagen steigen.

Tim hängt mal wieder zurück. Steht noch zögernd auf dem Gehweg und hält nach rechts und links Ausschau. Egal, die Nachbarschaft lässt sich nicht sehen.

Ich gehe rechts um den Transporter herum und blicke in das Fahrerhaus. Nichts liegt drin, leer und schön sauber ist der Wagen. Leider steckt der Schlüssel nicht neben dem Lenkrad und die Fahrertür ist abgeschlossen. Wäre ja auch zu schön gewesen. Aber Manning, der uns immer die Radios abkauft, hat mir gezeigt, wie man Fahrzeuge öffnet und startet. Ich kann nicht jedes Modell knacken, aber das hier schon. Es hat keine komplizierte Sicherung.

Manning ist ein guter Lehrer. Ich glaube, der könnte auch ganz legal reich werden. Stattdessen dealt er mit gestohlenen Wagen, ganz oder am Stück. Warum er das macht? Vielleicht gibt ihm das einen Kick, so wie mir.

Ich war mal dabei, wie er über Nacht einen nagelneuen BMW komplett zerlegt hat. Am nächsten Morgen gab es das verdammte Auto nicht mehr, nur noch eine schöne Sammlung von Ersatzteilen. Damit lässt sich manchmal mehr Geld machen als mit einem kompletten Fahrzeug. Sagt Manning. Weiß der Teufel, wo er das Zeug vertickt.

»Ich könnte was Größeres gebrauchen«, hat er gestern gesagt, »einen Kastenwagen, Transporter, kleinen Lastwagen, so was in der Richtung. Aber er sollte unauffällig sein. Ich will den nicht erst aufwändig umspritzen müssen.«

Deshalb wird ihm dieser gefallen. Außen mattes Weiß, nicht ganz neu, aber ohne Rost, ohne Beulen, ohne Kratzer. Und frei von Aufklebern und Firmenschildern. Schön unauffällig, so wie ich mir das erhofft hatte.

Mit etwas Glück sind wir in drei Minuten weg.

Wenn Tim nur nicht so trödeln würde. Ich winke ihn ran, deute mit dem Arm um den Transporter rum. »Sieh nach, ob jemand im Haus ist!«

Ich mag den Jungen, aber es ist nicht nur im Kopf eine Schnecke. Er schlurft praktisch in Zeitlupe Richtung Haustür. Ich werde mir inzwischen mal die Rückseite des Wagens ansehen.

TIM

Ich finde das Haus nicht so schön wie die anderen. Die Fassade war bestimmt mal so weiß wie der Wagen. Aber jetzt ist sie grau, an einigen Stellen sogar ein bisschen grün. Ob das Moos ist? Wenn ich in so einer feinen Gegend wohnen würde, dann würde ich regelmäßig alles streichen lassen. Und auch den Rasen hätte ich schon längst mähen lassen. Wenn das mein Haus wäre, hätte ich Gärtner. Und ich stünde dann in der Einfahrt, würde auf die Hecke zeigen und sagen »Die kann aber auch noch ein bisschen kürzer werden!«

Ich gehe also auf das Haus zu, wie Alex das will. Auf der Seite zur Einfahrt befindet sich nur ein großes Fenster. Daneben gehen drei Stufen rauf zur Haustür.

Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl. Was ist denn jetzt zum Beispiel, wenn diese Tür aufgeht. Jeden Augenblick kann doch der Besitzer des Transporters vor sein Haus treten. Keine Ahnung, was ich dann sage. Wahrscheinlich lasse ich dann Alex reden. Aber während ich das noch überlege, stehe ich schon vor dem Fenster. Es muss zur Küche gehören. Hinter der Gardine erkenne ich eine Spüle und Geschirr. Drinnen ist es gerade hell genug um zu sehen, dass sich dort niemand aufhält.

»Alles klar?«, fragt Alex leise, als er um die Rückseite des Transporters herum kommt.

»Ich kann niemanden sehen«, sage ich.

Alex probiert, ob sich die hinteren Türen des Transporters öffnen lassen.

»Meinst du, da ist was Wertvolles drin?«, frage ich. Aber Alex drückt und zieht vergeblich am Griff.

»Wenn du nicht den Röntgenblick hast, erfahren wir das wohl erstmal nicht, Kleiner.«

Wir stehen noch an der Rückseite des Transporters, als ich das leise Quietschen der Haustür höre. Und wie ich mich umdrehe, geht die Tür nach innen auf und zwei Leute kommen raus. Ich denke noch, eben habe ich das doch geahnt, und vielleicht bin ja sogar ich deshalb Schuld dran, dass es passiert. Es sind ein Mann und eine Frau, beide tragen wie wir Jeans und Shirts, aber der Mann hat eine Pistole in der Hand. Ich sehe erschrocken zu Alex rüber. Was machen wir jetzt?

ALEX

Zugegeben, das mit der Waffe hat mich kalt erwischt. Wirst du irgendwo überrascht, wo du nichts zu suchen hast, muss du in der Regel nur locker bleiben und kommst dann mit einem coolen Spruch davon. Aber wie der Typ mit der Pistole mich sieht und ich einen Augenblick zu lange zögere, da zielt er auch schon auf mich. Er ist etwa so groß wie ich und hat hellblonde Haare, die ausgeblichen wirken. Verstärkt wird der Eindruck noch durch seine gebräunte Haut, die in letzter Zeit reichlich Sonne gesehen haben muss. Ich schätze ihn auf Mitte dreißig.

»Weg von der Tür, weg vom Wagen«, sagt er und kommt die Stufen runter, setzt langsam einen Fuß vor den nächsten. Beide Hände hat er jetzt an der verdammten Waffe, den Lauf genau auf meinen Kopf gerichtet. Der Mann scheint ganz ruhig, was mich erst recht nervös macht. Ich hebe langsam die Hände und weiche zurück. Mit jedem Schritt, den er auf mich zukommt, gehe ich einen Schritt rückwärts Richtung Garagentor.

Tim rührt sich die ganze Zeit nicht, blickt immer nur von dem Typ zu mir und wieder zurück. Und wie ich dann mit dem Rücken an die Garage stoße wird mir klar, dass uns der Kerl mit der Scheißknarre jetzt den Fluchtweg verstellt.

»Sieh nach, ob der Koffer drin ist«, sagt der Blonde zu seiner Begleiterin. Die ist etwa in seinem Alter, hat kurze braune Haare und stand bis jetzt genauso angewurzelt da wie Tim. Sie geht langsam auf das Heck des Transporters zu und sucht an einem kleinen Schlüsselbund fahrig nach dem passenden Schlüssel. Dann öffnet sie den rechten Türflügel, beugt sich ins Innere und zieht da irgendwas über den Wagenboden. »Hier ist eine Kiste, die muss es sein. Es ist sonst nichts drin.«

Der Blonde lässt mich nicht aus den Augen. »Da sind wir euch wohl ein paar Minuten zuvor gekommen, was?«

»Was soll das? Wir wissen über den Wagen gar nichts.« Ich habe meine Sprache wieder, versuche jetzt, vor allem ruhig zu bleiben.

»Nee klar, ihr wisst nichts! Bestimmt reiner Zufall, dass ihr euch hier herumtreibt!«

Die Frau hebt eine würfelförmige Kiste aus dem Transporter. Das Ding schimmert silbern, ich tippe auf Aluminium. An den Seiten hat die Kiste zwei schwarze Tragegriffe, an der Front ein schlichtes metallenes Schild. Darauf hat jemand mit schwarzem Marker »1-4-6« geschrieben. Am Deckel scheint eine Art Display zu sitzen, aber das kann ich aus meiner Entfernung nicht genau sehen. Die Kanten des Würfels liegen irgendwo zwischen einem halben und einem ganzen Meter Länge. Ein ungewöhnliches Maß, es erinnert mich ein bisschen an eine Lautsprecherbox.

»Und jetzt?«, fragt die Frau.

Der Blonde zögert zum ersten Mal einen Augenblick. Dann sagt er: »Wir gehen jetzt alle rein. Kannst du die Kiste alleine tragen?«

Sie nickt und hebt den Aluwürfel an, und entweder ist der für seine Größe richtig leicht, oder sie ist für eine Frau richtig kräftig.

Der Blonde sieht mich an und deutet mit der Waffe in Richtung Tür. »Jetzt ihr zwei, und zwar schön langsam.« Ich überlege kurz, ob wir wegrennen können. Doch der Kerl ist einfach zu nah dran mit seiner verdammten Pistole. Ich fasse Tim an die Schulter und schiebe ihn vorsichtig vorwärts. Er scheint wie in Trance, blickt immer noch zwischen uns hin und her. Und so stolpern wir Schritt für Schritt die wenigen Stufen zur Tür hoch. Scheiße, da habe ich uns was Schönes eingebrockt!

Vom Flur des Hauses kann man links in die Küche gelangen, rechts führt eine Wendeltreppe nach oben. Wir folgen der Frau mit der Kiste geradeaus ins Wohnzimmer. Der Raum ist recht groß, an der Wand gegenüber steht ein langes Bücherregal. Und das ist tatsächlich komplett mit Büchern gefüllt, in jeden kleinen Zwischenraum sind welche reingestopft. Zur Rechten gibt es ein schweres schwarzes Ledersofa und dazu passend zwei breiten Sessel und einen Couchtisch. Zur Linken steht ein großer Esstisch mit sechs Stühlen, davor zwei Männer. Der eine liegt am Boden, der andere kniet über ihm. Beide Männer könnten irgendwas zwischen fünfzig und sechzig sein. Der Mann am Boden ist offenbar bewusstlos und verletzt, sein Gesicht ist blutverschmiert. Der Mann über ihm hat blutige Hände, scheint also daran nicht ganz unschuldig zu sein. Er trägt eine dunkelgraue Anzughose und ein strahlend weißes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, das reichlich rote Spritzer abbekommen hat.

»Wen zum Teufel schleppt ihr da an? Und jetzt sagt mir bloß nicht, die Jungs habt ihr im Transporter gefunden!« Seine Stimme klingt tief und heiser.

»Die beiden interessierten sich auch für den Wagen«, sagt der Blonde, der mich ins Wohnzimmer gestoßen hat und jetzt hinter uns allen im Türrahmen lehnt. »Wären wir fünf Minuten später gekommen, hätten sie uns die Kiste weggeschnappt.«

»Wir haben uns den Wagen angesehen, nichts weiter. Von dieser Kiste wussten wir gar nichts.« Ich versuche, möglichst cool zu klingen, was nicht leicht ist.

»Für eine Besichtigung habt ihr euch aber einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht«, sagt der Kerl mit dem blutigen Hemd.

(…)