Stand der Daten: März 1998
Der Valentinstag am 14. Februar ließ die deutschen Floristen jubeln. Nach eigenen Angaben verkaufte der Blumenhandel der Bundesrepublik an diesem Tag soviel Sträuße wie kein anderes Land Europas. Damit sorgen wir Deutschen eifrig dafür, daß unser Land im Verbrauch von Schnittblumen eine Spitzenposition einnimmt. Der „Verband des Deutschen Blumen-Groß- und Importhandels e.V.” (BGI) schätzt den Umsatz des deutschen Marktes für Schnittblumen auf jährlich acht Milliarden Mark. Demnach würde jeder Bundesbürger fast 99 Mark für Blumensträuße ausgeben.
Zum Vergleich: In Europa liegen die durchschnittlichen Ausgaben bei 65 Mark je Einwohner. In den USA geben die Menschen rund 48 Mark im Jahr für Schnittblumen aus, die Japanerinnen und Japaner sind mit 90 Mark dabei.
Um den Weltmarkt mit einem Gesamtumsatz von 60 Milliarden Mark zu versorgen, hat sich ein dichtes Netz globaler Produzenten, Spediteure und Händler gebildet. Der Anteil deutscher Blumenzüchter an den in Deutschland verkauften Schnittblumen ist mit nur 18 Prozent recht niedrig – das Wetter läßt es eben nur beschränkt zu, Blumen auf freiem Feld anzubauen. Doch Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen ganzjährig nach frische Blumen. Und damit wird das Thema Schnittblumen zum ökologischen Problem.
Möglichkeit eins: Blumen werden nahe am Markt in beheizten Treibhäusern herangezogen. Dieses Vorgehen rechnet sich in Deutschland praktisch nicht, weil die Energiekosten zu hoch sind. In Europa stellt nur Holland unter großem Energieaufwand und unter Industriebedingungen Schnittblumen her. Dies funktioniert nur, weil der Staat eine solche Herstellung subventioniert. Noch ist Holland für die Bundesrepublik der größte Lieferant von Blumen. Experten schätzen aber, dass sich die Handelsströme verschieben werden und Holland seine führende Stellung verliert.
Damit wären wir bei Möglichkeit zwei: Anbau in Ländern, deren günstige klimatische Bedingungen keine Heizkosten entstehen lassen. Und in der Tat sind Afrika, Mittel- und Südamerika sowie Asien zu den Großproduzenten des globalen Blumenhandels aufgestiegen. Der Süden versorgt den Norden; die niedrigen Löhne in den Entwicklungsländers verstärken den Trend zusätzlich.
Der schnelle weltweite Transport ist nur noch eine Frage der richtigen Logistik. Schnittblumen werden fast ausschließlich per Flugzeug transportiert, wobei die Kühlkette nicht unterbrochen werden darf. Das sogenannte Schnittgrün, welches dem Blumenstrauß beigemisch wird, um ihn fülliger aussehen zu lassen, darf etwas länger unterwegs sein. In Kühlcontainer verladen gelangt es auf dem Seeweg nach Europa. Was nicht schon fest verkauft ist, wird auf drei bundesweiten Versteigerungen angeboten.
Schnittblumen und Öko-Gewissen
Sollte man aus ökologischen Gründen in den Wintermonaten, wenn es keine heimischen Blumen gibt, ganz auf den Kauf von Schnittblumen verzichten? Sprechen nicht auch die teils skandalösen Arbeitsbedingungen in den Erzeugerländern für einen Boykott importierter Ware?
Die erste Frage mag jeder für sich selbst entscheiden. Einen Boykott lehnen Kirchen- und Menschenrechts-Organisationen jedenfalls einstimmig ab. Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt, die Kinderhilfsorganisation Terre des hommes und die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN arbeiten seit 1991 gemeinsam an der Blumenkampagne. Ihre Grundeinstellung: „Die Kampagne gibt den Forderungen der Betroffenen Gewicht; ein Kaufboykott von importierten Blumen wird allerdings mangels Arbeitsplatzalternativen abgelehnt.”
Stattdessen versuchen die Organisationen, auf die Herstellerländer, die europäische Politik und die Händler Druck auszuüben. Zusammen mit der EECOD (European Ecumenical Organization for Development) setzten sie beispielsweise im April 1994 im Brüsseler Europa-Parlament eine Konferenz zum Thema „Blumenimporte aus Kolumbien” durch. Im Rahmen der internationalen Drogenbekämpfung hatte die EG eine Zollfreiheit für Schnittblumen aus Kolumbien erlassen, um den Anbau legaler landwirtschaftlicher Produkte zu fördern. Tatsächlich stieg Kolumbien seitdem zum größten Produzenten der Südländer auf. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf über 140.000 Menschen, die meisten von ihnen sind Frauen. Von den wirtschaftlichen Erfolgen haben sie allerdings nicht viel, wie die Kommission feststellen musste: Nur ein Viertel der Betriebe zahlte für die Niedriglöhne Beiträge in die Sozialversicherung, gewerkschaftliche Arbeit wurde unterdrückt. Zudem wurde ein extrem hoher Einsatz von Pestiziden festgestellt, der die Arbeiterinnen vergiftet. Und die Blumen sind so stark belastet, dass man sie bei uns nicht einmal kompostieren kann, um die Pestizide nicht ins Grundwasser zu spülen.
Erfolge der Blumenkampagne
Der Druck der Blumenkampagne hatte inzwischen zumindest teilweise Erfolg. Das schweizerische Chemieunternehmen Ciba-Geigy nahm drei hochgiftige Pestizide vom Markt. AgrEvo, ein Tochterunternehmen der deutschen Chemiefirmen Hoechst und Schering, stellte den Vertrieb von Endosulfan, einem der am meisten kritisierten Mittel ein. In Deutschland war dem Gift zu diesem Zeitpunkt längst die Zulassung entzogen. Die Zollfreiheit wurde eingeschränkt, gilt unter Auflagen aber immer noch. An den schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen ändert sich derweil erst langsam etwas.
Den Druck der Blumenkampagne bekam auch der anfangs bereits erwähnte Großhandelsverband BGI zu spüren. Die Forderung der Menschenrechts-Organisationen, ein Gütesiegel für Blumen zu entwickeln wurde nach einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 1996 von immerhin 78 Prozent der Deutschen begrüßt. Anfang diesen Jahres legte der BGI schließlich das sogenannte „Flower Label Programm” (FLP) vor. Der Verband entwarf einen Prüfungskatalog, der auf den Vorschlägen der Menschenrechtsorganisationen beruhen soll. FLP-Blumen sollen demnach künftig nach umweltfreundlichen und sozialen Mindeststandards produziert werden.
Das Problem: Für ökologisch angebaute Blumen gibt es nicht mehr Geld; der BGI verlangt für die Erteilung des Siegels sogar noch eine Gebühr von 50 Cent pro Karton. Daher werden fürs erste nur 30 Betriebe aus Ecuador das Logo künftig auf ihre Kartons drucken.
Ecuador war vor zwei Jahren in die öffentliche Kritik geraten, als „Brot für die Welt” die Bedingungen der Blumenproduktion untersuchte. Es stellte sich heraus, dass die Hälfte der Arbeiterinnen Vergiftungserscheinungen aufwiesen und auf den Plantagen im Dreitagesabstand bis zu 36 verschiedene Pestizide eingesetzt wurden.
Eine wirklich vernünftige Lösung könnte es vielleicht bald durch „TransFair e.V.” geben. Diesem Verein ist es bereits gelungen, ein Öko-Siegel für Kaffee, Tee, Kakao und Kakaoprodukte sowie Honig auf dem Markt zu etablieren. Die Lizenznehmer müssen sich verpflichten, faire Preise deutlich über Weltmarktniveau an die Hersteller zu zahlen. Ob sich das TransFair-Siegel auch auf den Blumenhandel übertragen lässt, wird derzeit in einer Machbarkeits-Studie untersucht.
(Gekürzt und ergänzt gegenüber der Druckversion in der UMWELTZEITUNG März/April 98)
Links zum Thema:
FIAN deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation
Pesticide Action Network UK Britische Organisation, die sich mit dem Einsatz von Pestiziden weltweit beschäftigt und zahlreiche Links zu Fachinformationen sowie anderen Organisationen anbietet.
Rosen für die reiche Welt Artikel zum Thema in DIE ZEIT, No. 30/2005, 21.7.2005